Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung – Chance oder Risiko?

Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung – Chance oder Risiko?

Podiumsdiskussion zum Jubiläum von Lebenshilfe Aalen und Betreuungsverein Ostalbkreis Aalen

Die Podiumsdiskussion anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Lebenshilfe Aalen und des 30-jährigen Jubiläums des Betreuungsvereins Ostalbkreis fand vor einem großen und interessierten Publikum statt. Die Resonanz übertraf die Erwartungen und zeigte, wie sehr das Thema „Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung – Chance oder Risiko?“ die Menschen bewegt.

Unter der Moderation von Thomas Feistauer, Geschäftsführer der Lebenshilfe Aalen, nahmen teil:
• Martin Reuff, Direktor des Amtsgerichts Aalen
• Andreas Lasermann, Geschäftsführer des Betreuungsvereins Ostalbkreis
• Sophie Saur, Berufsbetreuerin
• Melanie Wengert, Bereichsleitung Beratungsstelle und Fachdienste Lebenshilfe Aalen
• Sweta Völkl, Selbstvertreterin der Lebenshilfe Aalen

Ein zentrales Thema war die Selbstvertretung: Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass Menschen mit rechtlicher Betreuung ihre eigenen Wünsche äußern und in Entscheidungen einbezogen werden. So zeigte die Diskussion, dass es nicht nur um gesetzliche Vorgaben geht, sondern um gelebte Teilhabe im Alltag.

Mehrfach wurde das Bild der „Wanderung mit Rucksack“ aufgegriffen: Betreuung bedeutet, gemeinsam unterwegs zu sein, immer wieder nachzuschauen, was noch trägt, was fehlt und was neu hineingelegt werden muss. Dieses Bild veranschaulichte eindrücklich, dass Betreuung ein fortlaufender Prozess ist.

Diskutiert wurde auch das sogenannte „Recht auf Unvernunft“: Betreute Menschen dürfen Entscheidungen treffen, die nicht den Vorstellungen anderer entsprechen. Für Betreuer*innen bedeutet das, geistig flexibel zu sein – denn jeder Fall ist anders, und Standartlösungen greifen zu kurz.

Auch die Rahmenbedingungen kamen zur Sprache: Berufsbetreuer*innen werden weiterhin nur pauschal vergütet, obwohl ihre Arbeit viel individuelle Begleitung erfordert. Zudem erschweren Bürokratie und enge Vorgaben oft die Umsetzung.

Ein wichtiger Hinweis war: Schon seit 1992 gibt es keine Vormundschaft mehr im rechtlichen Sinne – Betreuung ist Unterstützung, keine Bevormundung. Dennoch muss dieses Bewusstsein in der Gesellschaft und auch in der Praxis weiter gestärkt werden.

Die Diskussion zeigte: Die Betreuungsrechtsreform 2023 setzt wichtige Impulse, doch die Umsetzung im Alltag bleibt herausfordernd. Entscheidend ist, dass der betreute Mensch im Mittelpunkt steht und seine Entscheidungen respektiert werden.

Interessierte sind herzlich eingeladen, am 30.09. an der Folgeveranstaltung teilzunehmen: Workshop – Wie kann Selbstbestimmung in der rechtlichen Betreuung gelingen?

Im Bild von links nach rechts: Martin Reuff, Thomas Feistauer, Sweta Völkl, Sophie Saur, Andreas Lasermann, Melanie Wengert

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