Ein Leben wie alle anderen. Am 3. Dezember ist der Internationale Tag des Menschen mit Behinderung. An diesem Jahrestag soll für die Belange von Menschen mit Behinderung sensibilisiert werden. In Deutschland leben rund 7,9 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, davon 13 % mit sogenannter geistiger oder seelischer Behinderung. Mit weltweiten Aktionen unterstützt man diese große Gruppe in ihrem Kampf um Würde, Anerkennung ihrer vollen Rechte und die Verbesserung ihrer Lebenssituation.
Doch wer sind diese Menschen mit Behinderung? Wie kann ein Leben mit einer Behinderung aussehen? Anlässlich des heutigen Tages möchten wir einer Frau mit Behinderung ein Gesicht und einen Namen geben. Im Gespräch erzählt Frau Bianca Leiß während eines Besuches in der Beratungsstelle der Lebenshilfe Aalen von ihrem Leben als Frau mit einer sogenannten Schwerbehinderung.
Der Alltag von Bianca Leiß wird vielen bekannt vorkommen: alleinerziehend, deshalb nur Teilzeitbeschäftigung, ihre 17jährige Tochter steht kurz vor dem Schulabschluss. Vor ihr liegt ein neuer Lebensabschnitt, den sie frisch verliebt neu zu planen hat. „Das Leben ist spannend, trotz meines Handicaps (sie setzt symbolisch Anführungsstriche in die Luft), wie man so schön sagt“, bemerkt sie lachend.
Hinter Bianca Leiß liegt der „klassische Weg“ eines Menschen mit Behinderung.
Zuerst erfolgt der Besuch einer Förderschule, danach der Übergang in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Sie zieht von Zuhause aus und lebt fortan in betreuten Wohngemeinschaften. Mit 20 Jahren wird sie ungeplant, aber nicht ungewollt schwanger. Bereits früh zeichnet sich ab, dass ihre ungeborene Tochter an einem seltenen Gendefekt leidet. „Da habe ich mich für das Kind entschieden, das wollte ich durchziehen. Ich habe mich ja auch trotz aller Schwierigkeiten auf das Kind gefreut“, erinnert sie sich. Bereits während der Schwangerschaft wird sie von Betreuern begleitet und unterstützt.
Normalerweise können in den meisten dieser Einrichtungen Mütter und ihre Kinder nur so lange zusammenwohnen, bis die Kinder sechs Jahre alt sind. „Ich wollte aber auf keinen Fall von meiner Tochter getrennt werden.“ Mithilfe ihrer damaligen Betreuerin findet Bianca schließlich ihren Weg in den Ostalbkreis. Hier gibt es ein in Baden-Württemberg einmaliges Projekt, in dem Mütter mit Behinderung bis zum 18. Lebensjahr mit ihren Kindern zusammenleben können. Mittlerweile wohnt sie seit fast 12 Jahren mit ihrer Tochter in einer unterstützenden Einrichtung der Lebenshilfe Aalen. Dafür hat sie ihre Heimat verlassen. „Aber ich habe kein Heimweh, wir fühlen uns wohl hier.“
Das Leben von Frau Leiß ist von Beginn an gezeichnet von engen Regeln, Auflagen und permanenter Betreuung, nicht nur wegen ihrer Behinderung auch wegen des Kindes. Immer wieder steht Bianca Leiß neuen Schwierigkeiten gegenüber und muss mit ihren Betreuern ihre Interessen aushandeln und klären. Ihrer Selbstbestimmung werden dabei häufig Grenzen gesetzt.
Doch sie kämpft. Und sie schafft den Sprung auf den regulären Arbeitsmarkt, der für viele Menschen mit Behinderung noch immer fast unerreichbar ist. Seit über fünf Jahren arbeitet sie in Teilzeit als Hauswirtschaftshilfe bei der Lebenshilfe Aalen.
Angefangen hat alles mit einer nächtlichen Unterhaltung und dem engagierten Einsatz einer Mitarbeiterin. „Immer wenn sie Nachtschicht hatte, haben wir uns unterhalten. Ich habe ihr erzählt, dass mir die Decke auf den Kopf fällt, weil ich wegen meiner Tochter ja nur daheim bin. Da hat sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Praktikum zu machen.“ Das Praktikum verläuft positiv und zum Abschluss erhält Bianca Leiß einen Arbeitsvertrag. „Da haben wir uns gefreut, wie ein Schneekönig!“, sagt sie stolz. Was bedeutet es für sie eine feste Arbeit zu haben? „Ich will mein eigenes Geld verdienen.“
Bianca Leiß ist eine engagierte Mitarbeiterin, sie will ihren Job gut machen. Dass ihr das geglückt ist, erfährt sie auch durch die Wertschätzung, die ihr von Seiten der Vorgesetzten entgegengebracht wird. „Zum Fünfjährigen hab‘ ich sogar einen Gutschein bekommen, das ist schon was Besonderes!“.
Viele Dinge sind ihr bereits gelungen, das nächste große Ziel ist es nun sich einen eigenen Lebensmittelpunkt aufzubauen. Ihr Ziel sieht sie klar vor sich: eine eigene Wohnung mit selbst unterschriebenem Mietvertrag. „Ich will ein Leben für mich, das wird langsam auch Zeit.“ Macht ihr dieser Wunsch manchmal auch Angst? „Den Haushalt krieg ich hin. Das mach ich im Moment ja auch alles selbst, also Einkaufen, Putzen, Arzttermine ausmachen usw. Aber das alleine sein? Bisher war ja immer jemand da. Vor allem jetzt, wo man draußen nichts machen kann.“
Bianca Leiß ist schon ein gutes Stück auf dem Weg in ein selbst bestimmtes Leben gegangen. Möchten Sie sie dabei unterstützen auch den Rest zu schaffen? Falls Sie über eine bezahlbare Wohnung (gerne auch im Raum Schwäbisch Gmünd) verfügen, würde Bianca Leiß sich sehr freuen, wenn Sie mit ihr über die Lebenshilfe Aalen in Kontakt treten würden.
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